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Restrukturierung und Post Merger Integration aus rechtlicher Sicht – Hinweise für chinesische Investoren

 

zusammengestellt von: Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH (Mitglied im CHKD Beraternetzwerk)

 

A. Einleitung

Auch in Deutschland sind viele Unternehmen stark von der inzwischen mehr als ein Jahr andauernden Corona Pandemie betroffen. Dies betrifft nicht nur Unternehmen in der Gastronomie und im Unterhaltungs- oder Tourismussektor. Dennoch ist es etwas überraschend bislang zu keinem Anstieg der Insolvenzen gekommen, auch der zweite Lockdown im Frühjahr 2021 hat zu keiner Pleitewelle geführt. Dies liegt sicherlich auch an der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht und an den staatlichen Hilfsgeldern, mit denen viele Unternehmen durch die schwerste Wirtschaftskrise der Nachkriegszeit kommen. Mit Auslaufen der staatlichen Unterstützungsmaßnahmen und der Rückkehr zur früheren Gesetzeslage bei den Insolvenzgründen gehen Experten aber davon aus, dass die Zahl der notleidenden Firmen und auch der Insolvenzen in diesem Jahr nun ansteigen werden. Vor diesem Hintergrund soll nachfolgend eine Übersicht über den rechtlichen Rahmen in Deutschland für Restrukturierungen gegeben und auch auf die in der Praxis häufig vernachlässigte Integration nach einer Übernahme eingegangen werden.

 

 

B. Aussetzung der Insolvenzantragspflicht

 

Aufgrund von Covid-19 hat der deutsche Gesetzgeber die Insolvenzantragspflicht für Unternehmen in der Krise zunächst bis 30. September 2020 ausgesetzt, sofern die Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung unmittelbar auf die Corona-Pandemie zurückzuführen war und die Beseitigung der Zahlungsunfähigkeit möglich erschien. Mit dem COVInsAG (COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetz) wurde die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht bis einschließlich 30. April 2021 eingeschränkt fortgeführt. Anknüpfungspunkt für die Aussetzung der Antragspflicht ist dabei, ob das Unternehmen zwischen dem 1. November 2020 bis zum 28. Februar 2021 einen Antrag auf die Gewährung finanzieller Hilfeleistungen im Rahmen staatlicher Hilfsprogramme zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie gestellt hat. Dem gleichgestellt ist gem. § 1 Abs. 3  S. 2 COVInsAG der Fall, dass die Antragstellung aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht möglich war, aber der Schuldner nach den Bedingungen zur Stellung des Hilfsantrags zum Kreis der Antragsberechtigten gehört.

 

C.Restrukturierung

In Folge der Corona Pandemie werden sog. Distressed M&A Deals wieder deutlich zunehmen. Sanierungsbedürftige Unternehmen werden dabei in der Krise noch vor oder aus der Insolvenz heraus übernommen, um mit frischem Kapital und neuer Strategie wieder zu starten. Für ausländische Käufer kann sich damit eine gute Möglichkeit bieten, ein interessantes Unternehmen zu einem günstigen Kaufpreis zu erwerben und damit Zugang zum deutschen bzw. europäischen Markt sowie zu Technologien „Made-in-Germany“ zu erhalten. Allerdings müssen chinesische Investoren insbesondere bei Distressed M&A-Transaktionen gut organisiert sein und schnell reagieren können. Denn ein Insolvenzverfahren in Deutschland läuft in einem engen zeitlichen Rahmen ab. Außerdem können Investitionen in Unternehmen in der Krise nicht nur wirtschaftliche, sondern auch rechtliche Risiken mit sich bringen. Diese rechtlichen Risiken unterscheiden sich abhängig von Zeitpunkt des Unternehmenserwerbs. Gerade im Zeitraum kurz vor der Insolvenzantragstellung droht die Insolvenzanfechtung gem. §§ 129 ff. InsO mit weitreichenden Konsequenzen.

Mit dem Inkrafttreten des StaRUG (Unternehmensstabilisierungs- und –restrukturierungsgesetz) zum 01. Januar 2021erfährt die Restrukturierungspraxis in Deutschland weitreichende Neuerungen. Diese kommen damit in einer Zeit, in der nicht wenige Unternehmen von den durch Corona bedingten Folgen betroffen und finanziell angeschlagen sind. Durch das StaRUG wird die EU Richtlinie (EU) 2019/1023 vom 20. Juni 2019 in deutsches Recht umgesetzt, mit der die Harmonisierung der zum Teil recht unterschiedlichen Rahmenbedingungen für Restrukturierungen in Europa bezweckt wird.

Das StaRUG ermöglicht die Restrukturierung eines Unternehmens in einem vorinsolvenzrechtlichen Restrukturierungsverfahren. Es enthält eine Vielzahl von Instrumenten zur Bewältigung von Unternehmenskrisen und könnte sich vor dem Hintergrund der Pandemie als ein effizientes Verfahren zur Sanierung krisengeplagter Unternehmen erweisen.

Der im StaRUG geregelte Restrukturierungsplan ermöglicht die Gestaltung der gegen das betroffene Unternehmen bestehenden Forderungen auf der Grundlage von Mehrheitsentscheidungen der Gläubiger und stellt damit das Herzstück des StaRUG dar. Über den Restrukturierungsplan kann mit oder ohne gerichtliche Beteiligung verhandelt und abgestimmt werden. Im Gegensatz zum Insolvenzverfahren ist die gerichtliche Beteiligung im Rahmen des Restrukturierungsverfahrens generell geringer.

Mit der Einführung des StaRUG wurden in Deutschland folglich umfassende Regelungen geschaffen, die die finanzielle Restrukturierung von Unternehmen ermöglichen, ohne direkt zum scharfen Schwert des Insolvenzrechts greifen zu müssen. Neu ist insbesondere, dass damit eine mit der Mehrheit der Gläubiger getragene Sanierung außerhalb eines Insolvenzverfahrens möglich wird, ohne befürchten zu müssen, dass die Restrukturierung am Widerstand einzelner Beteiligter scheitern wird. Ein vergleichbares Instrument war bisher vor allem in den USA (Chapter 11) und in angelsächsischen Jurisdiktionen (Scheme of Arrangement) bekannt.

 

D. Post Merger Integration – Definition und Bedeutung 

Die Post Merger Integration (kurz PMI) bezeichnet den Integrationsprozess nach einem Unternehmenskauf oder -zusammenschluss und spielt eine wesentliche Rolle in einer M&A Transaktion. In der Integrationsphase sollen die mit der Akquisition verfolgten Ziele und im Vorfeld identifizierten Synergien realisiert werden, indem die verschiedenen Organisationsstrukturen, Geschäftsprozesse und Unternehmenskulturen von Käufer- und Verkäuferunternehmen einander angepasst werden. Neben technischen, betriebswirtschaftlichen und steuerlichen Aspekten der Integration sollte das Augenmerk auch frühzeitig auf rechtliche Fragestellungen gelegt werden. Offiziell beginnt die PMI-Phase zwar erst im Anschluss an das Closing, d.h. an den Zeitpunkt, zu dem die Verfügungsmacht über das Zielunternehmen formal auf das Käuferunternehmen übertragen wird und der Käufer die notwendigen Weisungsrechte zur Durchführung von Integrationsmaßnahmen erhält, aber der Grundstein für den Integrationsplan sollte bereits mit der Due Diligence (DD) gelegt werden. Muss sich ein Unternehmen am sogenannten „Day 1“ nach dem Closing erst einmal sortieren, ist ein guter Start bereits verspielt und der Misserfolg meist vorprogrammiert.

 

I. Welche rechtlichen Themen sind bei der Post Merger Integration zu beachten?

 

Normalerweise spielen bei der PMI arbeitsrechtliche, gesellschaftsrechtliche, steuerrechtliche, handelsrechtliche und patentrechtliche Themen eine große Rolle. Es werden also verschiedenste Rechtsgebiete relevant. Beispielsweise kann  eine Zusammenführung der gesellschaftsrechtlichen Strukturen, sowie die Abgleichung und Anpassung von Individual- und Kollektivarbeitsverträgen, vorzeitige Vertragsverlängerungen mit wichtigen Schlüsselpersonen wie Führungskräften und Knowhow-Trägern oder die Umstrukturierung der Gremien erforderlich sein. Die Fülle an arbeitsrechtlichen Fragestellungen ist besonders groß. Häufig bestehen unterschiedliche Arten von betrieblichen Altersvorsorgen die angepasst werden sollten, um Einheitlichkeit zu erlangen. Doch nicht nur die Absicherung der Arbeitnehmer im Alter gilt es anzugleichen. Bereits vorher ist auf arbeitsrechtlicher Ebene viel zu beachten. Werden verschiedene Betriebe miteinander integriert, bestehen meistens unterschiedliche Regelungen zu Urlaub, Überstunden oder dem Umfang von Arbeitszeiten. Zuvor geltende Betriebsregelungen zur Erfassung von Arbeitszeiten, zur Möglichkeit flexibler Arbeitszeiten oder der Nutzung von Internet und E-Mail müssen überprüft und miteinander in Einklang gebracht werden.

 

II. Erfolgsfaktoren der Post Merger Integration

 

Eine frühzeitige Planung des Integrationsprozesses und eine konsequente Umsetzung der Integrationsaufgaben gehören zu den wichtigsten Faktoren für eine erfolgreiche Post Merger Integration. Wichtige Schlüsselpersonen der beteiligten Unternehmen sowie externe Berater und Experten sollten frühzeitig eingebunden werden. Insbesondere eine sorgfältige Analyse der strategischen Ziele und eine gewissenhafte und umfassende rechtliche, finanzielle und operative Due Diligence im Vorfeld sind unabdingbar. Denn strategische Fehler oder Versäumnisse zu Beginn der Transaktion können in der Integrationsphase kaum noch korrigiert werden. Von deutscher Verkäuferseite werden häufig gegenseitiges kulturelles Verständnis, Anpassung des chinesischen Investors an die Gegebenheiten bzw. Gepflogenheiten vor Ort, weitgehende Eigenständigkeit und Beibehaltung bisheriger Strukturen des deutschen Unternehmens sowie eine transparente und direkte Kommunikation mit den verschiedenen Interessensgruppen als Erfolgsfaktoren für eine erfolgreiche Übernahme durch einen chinesischen Investor genannt. In der Unternehmenspraxis hat sich in vielen Fällen eine Strategie bewährt, die eine Unabhängigkeit des deutschen Tochterunternehmens zulässt und eine langfristige Win-Win-Situation für alle Beteiligten schafft. Grundsätzlich gilt daher für die Wahl des Integrationsgrades nicht immer die größtmögliche Vereinheitlichung, sondern die passende Symbiose, mit der die Akquisitionsziele erreicht werden. Da chinesische Manager in der Regel weniger Erfahrung mit den gesättigten Märkten in Europa haben als ihre deutschen Kollegen, empfiehlt es sich realistische Wachstumsziele gemeinsam festzulegen. Viele Unternehmen verwenden in der Integrationsphase auch einen „best-of-both”-Ansatz, d.h. es werden Prozesse aus beiden Unternehmen vereint, die sich nachweislich als die besseren bewährt haben. Eine Alternative hierzu bieten externe „Best-Practices“, da sie oftmals eine höhere Akzeptanz bei allen Beteiligten genießen.

 

E. Fazit 

Durch die Pandemie geraten auch in Deutschland immer mehr Unternehmen in die Krise, die eigentlich gut aufgestellt waren und ein tragfähiges Geschäftsmodell mit guten Produkten haben. Für chinesische Investoren bietet sich hier die Möglichkeit, zu attraktiven Kaufpreisen, solche kriselnden Unternehmen zu erwerben. Neben dem Kauf aus der Insolvenz kann auch der Kauf im Rahmen eines Restrukturierungsverfahrens interessant sein. Mit dem StaRUG werden Sanierungen auch außerhalb eines Insolvenzverfahrens einfacher und Deutschland gewinnt damit als Standort für Restrukturierungen an Attraktivität.

Ist der Unternehmenskauf erst vollzogen, gilt es im Rahmen einer erfolgreichen Post Merger Integration das gekaufte Unternehmen bestmöglich zu integrieren. Dabei ist eine frühzeitige Planung der Post Merger Integration – parallel zur Transaktionsabwicklung  – empfehlenswert, um im Anschluss an das Closing keine Zeit zu verlieren und die durch den Unternehmenskauf erwarteten Vorteile und Synergien bestmöglich zu nutzen.

 

 

Autoren: Thomas Weidlich, Dr. SHEN Yuan

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